Realitätsfabrik Mediensystem
Man muss in letzter Zeit ansehen, wie Debatten verunglücken, fast überall Desinformation herumgereicht werden und scheinbar nur noch das Rückenmark die Kommunikation beherrscht. Einordnung häufig Fehlanzeige. Ist das Zufall, Zeitgeist, Ziel oder alles zusammen? In dieser Supporter-Folgen schauen Patrick und Jens durch die Systembrille auf Medien und Journalismus und stellen erstaunliches fest.
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Ich möchte Patricks Idee, dass die Öffentlich-Rechtlichen keinerlei Unterhaltung und Sport mehr senden sollten, massiv widersprechen. Zum einen, aus persönlichen Gründen, weil ich gerne Sport gucke und das, was die Privaten da auf die Beine stellen zumeist unguckbar ist, weil die Kommentare von Unsinnigkeit und Inkompetenz diejenigen, die auf ARD und ZDF zu hören sind, oftmals noch um Unlängen übertreffen.
Aber wesentlich wichtiger: Das Privatfernsehen macht kein Regionalprogramm. Regionale Unterhaltungssendungen, die eben nicht in einer großen Medienmetropole oder deren direktes Umland stattfinden, werden von Privaten kaum bis gar nicht produziert. Auch diese gehören in der Medienlandschaft abgebildet. Selbiges gilt für Unterhaltungsprogramme, die versuche artistischer zu sein und eher eine Nische ansprechen. Gerade deswegen ist das aktuelle Vorgehen gegen bestimmte Spartenkanäle wie 3sat so eine Gefahr. Es werden Künstlern so Bühnen genommen, auf denen sie ihre Kunst ausleben können, anstatt nur immer an möglichst profitträchtigen Produkten zu arbeiten.
Nicht nur das, was fällt denn unter „Unterhaltungsprogramme“? Auch Satire und Kabarett oder ist das politische Berichterstattung? Denn so ein Angebot gibt es bei den Privaten auch nicht. Klar, einen Nuhr kann man gerne absetzen, aber extra 3, heute show, Sarah Bosetti, Böhmermann und die Die Anstalt sollten vielleicht schon erhalten bleiben. Und ich kenne keine vergleichbaren Angeboten der Privaten zu diesen Sendungen, ganz besonders nicht ZDF Magazin Royal oder Die Anstalt. Was allerdings weg könnte, sind die ganzen, unnützen Talkshow-Formate.
Außerdem braucht das Öffentlich-Rechtliche auch Unterhaltungsprogramme um Zuschauer zu binden. Sender, die nur Dokus und Politikberichterstattung senden, bekommen wesentlich weniger Zuschauer*innen. Solche Programmpunkte sollte es häufiger geben, aber sie gehören zwischen guten Unterhaltungssendungen eingebettet, die die Zuschauer*innen anziehen und binden. Dabei sollte das Öffentlich-Rechtliche im Übrigen sich endlich davon verabschieden, nur Programme für Rentner*innen zu machen, auch wenn jüngere Zuschauer*innen vielleicht eher das Onlineangebot nutzen als das lineare.
Zu guter Letzt will ich auch noch etwas anderes in den Raum werfen, was vielleicht ein wenig nach Verschwörungstheorie klingt: Die geplante Reform zielt ja gerade darauf ab, die Kernkompetenzen der Öffentlich-Rechtlichen, also Berichterstattung, Dokumentationen und eher Nischen-orientierter Unterhaltungscontent, abzuschaffen, womit die Öffentlich-Rechtlichen in ihrem Profil immer mehr den Privaten ähneln dürften. Meine Theorie ist, dass dies gewollt ist, um so die Attitüde, dass man die Öffentlich-Rechtlichen nicht mehr braucht, weil ihre Aufgaben ja inzwischen von den Privaten wahrgenommen werden würden, zu stärken, damit man am Ende ein besseres Argument für die Abschaffung oder Privatisierung der Öffentlich-Rechtlichen hat.
Dieser Hall auf der Stimme beim vorlesen von Zitaten kommt nicht gut. Würde ich einfach weglassen.
+1
Von Dr. Michael Blume (https://sueden.social/@BlumeEvolution) stammt das Zitat „Wenn das Mediensystem kaputt ist, dann stürzt die Demokratie ab.“
In eurem Podcast scheint ihr euch geradezu vorgenommen zu haben, zu erklären, warum das so ist. Ganz großes Kino. Vielen Dank.
Menschen als sozial hochgradig von einander abhängige Wesen müssen soziale Wahrheiten bilden, um gemeinsam handlungsfähig zu sein.
In einer Demokratie bestimmen unsere sozialen Wahrheiten, welche Parteien wir wählen, welche Gesetze und Verordnungen wir erlassen und wie wir unser Zusammenleben gestalten.
Der moderne Mensch bekommt den Input für seine soziale Wahrheitsfindung über Medien. Klassische Medien konnten mangels geeignetem Rückkanal nur Einfluss auf die Verbreitung des Inputs nehmen. Die soziale Wahrheitsfindung fand andernorts statt (Familie, Verein, Partei, Religionsgemeinschaften).
Social Media bedient erstmalig auch das Bedürfnis der Menschen nach sozialer Wahrheitsfindung. Wie stark dieses Bedürfnis ist, kann man m.E. daran erkennen, dass die sozial Media-Unternehmen innerhalb eines Jahrzehnts weltweit die Medienhoheit übernommen haben.
Wenn wir in Bezug auf Demokratie von einer kaputten Mediensystemlandschaft reden, dann müssen wir m.E. auf den Aspekt der sozialen Wahrheitsfindung durch Social Media schauen.
Wir stellen fest, dass wir derzeit zunehmend dysfunktionale soziale Wahrheiten bilden (Klima, Energie, Migration) und es uns immer schwerer fällt daraus ein geeignetes gesellschaftliches Handeln abzuleiten.
Danke für die spannende Folge!
Wo habt ihr das Zitat von Arendt gefunden, könnt ihr die Quelle teilen? Finde es online leider nicht 🙁
(In einer Welt die im Sterben liegt, möchte man wenigstens nicht an der Realität leiden, sondern an einer Selbsttäuschung.)
Geht mir genauso.
Einfach einmal „die News-Organisationen“ durch „die BILD Zeitung“ oder „Der Springer Verlag“ ersetzen und ich kann das Resultat absolut nachvollziehen. Das Problem ist, dass eine rein quantitative Erhebung hier komplett irrelevant ist. Es gibt diverse gute Gründe den übergeneralisierten Fragen zu widersprechen. Mir wären solche Fragen im Bachelor-Einführungsseminar rechts und links um die Ohren geschlagen worden. Aber renommierten Umfrage Instituten ist mittlerweile wohl nichts mehr zu blöd.